Quo vadis Deutschland ohne KTG?
Kommentar zum Thema KTG (Karl-Theodor zu Guttenberg)

1) KTG hatte sich in der Dissertation mit den von ihm dargestellten und zitierten Passagen identifiziert, in seiner Großzügigkeit jedoch nicht darauf geachtet, was von ihm und was von anderen war. Ohne Frage ein klarer Fehler in einer Doktorarbeit. ABER: KTG hat die Kennzeichnung der zitierten Passagen nicht absichtlich missachtet, er ist kein Betrüger.

2) Seine Gutachter (in erster Linie der Doktorvater) hätten sofort auf diesen Mangel hinweisen müssen. Wo ist ihre Verantwortung? ALSO: An dem Fehlen korrekter Zitierungen trägt nicht allein KTG die Schuld. Die Gutachter haben ihre Pflicht zur Prüfung der Arbeit grob vernachlässigt; sie haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie haben damit nicht nur dem Ansehen ihrer Fakultät und der Universität Bayreuth, sondern schlechthin dem Ansehen der akademischen Grade und der Deutschen Wissenschaft geschadet!

Und jetzt - nachhinein - wäscht sich diese Uni die Hände: sie ist nicht in der Lage, Ihren eigenen Schuldanteil zuzugeben. Eine beispiellose Schande.

Als ich 1964 meine Dr.-Arbeit vorlegte, hatte ich 3 Gutachter. 2 davon hatte ich selbst als die besten mir bekannten Fachleute vorgeschlagen. Auf alle 3 Gutachten hatte ich mich gefreut, weil damit meine Arbeit nur gewinnen konnte. Alle 3 Gutachten enthielten Ermahnungen, Zitate korrekt und vollständig kenntlich zu machen. In der Literatur-Liste aus 450 Publikationen vergaß ich, einige in dem Text zu erwähnen und umgekehrt: Die eine oder andere Zitierung im Text fehlten in der Liste.

Darauf hinzuweisen war eine wichtige Gutachter-Pflicht und wurde gewissenhaft erfüllt. Mit Hilfe von Suchmaschinen ist es heute, und auch schon 2006, nur noch eine Frage von Sekunden, solche übernommenen und mangelhaft gekennzeichneten Literaturstellen zu erkennen. Es existieren sogar „Plagiat-Programme“, die Quellen der kopierten Texte nicht nur finden, sondern auch analysieren. Beispiele:
http://www.plagscan.com/?gclid=CN__hYH2uacCFcUXzQodKTFdAg
http://www.plagium.com/
http://www.paperrater.com/ .

Nun stürzt sich die Opposition (grün und rot in unterschiedlichen Schattierungen) auf dieses Fressen. Eine wunderbare Gelegenheit, einen „Politstar“ mit anerkannt phantastischem Beliebtheitsgrad auf ihre Ebene der Mittelmäßigkeit und – wenn es geht – noch tiefer herunter zu ziehen. Man verlangte seinen Kopf, und nachdem man ihn erhalten hat, wird nachgetreten. Mir erscheint diese marktschreierische Kritik an einer Unterlassungssünde aus KTGs Vergangenheit als pure Heuchelei mit dem Ziel, die eigene politische Unzulänglichkeit aufzupolieren.

Diesen Mechanismus hatte schon Dostojewski in seinem Roman „Erniedrigte und Beleidigte“ (1861, vor 150 Jahren) erkannt: Das Mittelmaß wird subjektiv als Unvollkommenheit, Minderwertigkeit empfunden und manifestiert sich als psychoneurotischer Komplex gleichen Namens mit allen seinen Konsequenzen, wie Hass und Neid auf alle die geschafft haben, was für ihn selbst unerreichbar bleibt. Darauf gründeten die Diktaturen von Zarismus (seit Iwan dem Schrecklichen, Entstehung der Oprischtschina, Samen der KGB), Kommunismus und Faschismus. In anderen Teilen der Welt leiden die Menschen noch heute unter diesen Teufelskreis.

Ich wünsche Herrn KTG, dass er wie Phoenix bald wieder aufersteht. Sonst ist das Vakuum in der deutschen Politik zu groß und zu gefährlich.